Das Geheimnis der Pyramiden

04.06.2015 22:19

Andreas Retyi: Die Stargate Verschwörung - Geheime Spurensuche in Ägypten. Kapitel 7 - Unbekannte Kräfte. Rottenburg Jahr 2000.

Es ist außergewöhnlich schwer, die Erlaubnis zu erhalten, einmal eine Nacht in der Großen Pyramide verbringen zu dürfen. Nur wenige hatten bisher diese Gelegenheit. Die Eindrücke während solcher Aufenthalte müssen wahrhaft unheimlich sein.

Zu Beginn der dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts fand der englische Schriftsteller, der Indien- und Afrikaforscher Paul Brunton offenbar den richtigen Dreh, die ägyptischen Behörden für sein Vorhaben zu gewinnen. Zwar hatte auch er einige Behördenlauferei hinter sich zu bringen, doch schließlich gestaltete ihm dann der Kommandant der Kairoer Stadtpolizei EI Leva Russel Pascha höchstpersönlich die Übernachtung in der Pyramide. Auch wenn Brunton dabei nicht einmal mit Halbpension rechnen durfte. war er verständlicherweise überglücklich. Immerhin hatte offiziell seit hundert Jahren niemand mehr in der Pyramide übernachtet. Paul Brunton marschierte übrigens zuerst ins Ministerium für Ägyptische Altertümer, um eine Erlaubnis zu erhalten. Spätestens dort wurde ihm klar, wie ungewöhnlich sein Plan offenbar war: »Hätte ich um die Erlaubnis nachgesucht, zum Mond zu fliegen, dann würde das Gesicht des Beamten kaum eine noch größere Verblüffung verraten haben«, schreibt Brunton in seinen Erinnerungen.

 

Wie immer wurde bei Sonnenuntergang das feste Eisentor am Eingang der Großen Pyramide verschlossen, nur an jenem Abend mit dem Unterschied, dass Paul Brunton sich im Inneren des Kolosses befand. Die Verantwortlichen sagten ihm, sie könnten da keine Ausnahme machen und müssten ihn einsperren. Major Mackersey, Chef der Polizeistation von Mena, meinte am Abend noch scherzhaft zu Brunton: »Wir übernehmen ein Risiko, wenn wir Sie da eine ganze Nacht alleine lassen. [...]

Die Stimmung war unheimlich. Immer wieder flatterten Fledermäuse auf und warfen gespenstische Schatten im Lichtkegel von Bruntons Lampe. Natürlich verstärkte sich die düstere und so gruslige Atmosphäre noch durch die Gerüchte, wie sie bis heute im Umlauf sind. Da ging das Wort von Totenseelen und Geistern, die dort in der Nacht lebendig würden. Wer sich noch nach Einbruch der Dunkelheit in der Pyramide aufhielte, den würde der Fluch der Pharaonen treffen. Schöne Aussichten im Finstern, kann man da nur sagen! Aber Brunton war jemand, den normalerweise so schnell nichts erschüttem konnte, denn er hatte schon so manches Abenteuer hinter sich. So eine Art »Indiana Jenes« eben.

Bald verließ er die Große Galerie und lastete sich weiter zur Königskammer vor. Er musste dazu die imposante Halle ganz hinauf und dann durch einen engen, nur knapp einen Meter hohen Gang kriechen, vorbei an der Vorkammner und nach einem weiteren kurzen Stück des Kriechens schließlich hinein in die Königskammer. Der wunderbar gearbeitete Rosengranit schimmerte im Schein von Bruntons Lampe rötlich. Das einzige. was sich in diesem über zehn Meter langen, fünf Meter breiten und fast sechs Meter hohen Raum befand, war der leere Sarkophag, ebenfalls aus Granit.

Der Schriftsteller setzte sich daneben, löschte das Licht und schloss für eine Weile seine Augen. Allerdings wollte er trotzdem unbedingt wach bleiben, wach und konzentriert.

Mit der Zeit schien sich etwas in dem Raum zu verändern. Brunton hatte die »Empfindung von unsichtbarem Leben« und schrieb später, »In meiner Umgebung war etwas, das lebte und pulsierte, auch wenn ich immer noch nicht das Geringste sehen konnte ... Ich bin ein Mann, der an Einsamkeit gewöhnt ist - der sie sogar liebt - aber in der Einsamkeit dieser Kammer war etwas Unheimliches und Beängstigendes.« Seine Vermutung und seine Gefühle wurden ihm bald zur absoluten Gewissheit. Was sich vor ihm abspielte, wurde immer realer. Kein Wunder, dass es der einsame Forscher mehr und mehr mit der Angst zu tun bekam. »Angst, Furcht und Schrecken wandten mir unentwegt ihre grässlichen Fratzen zu. Ich wollte es nicht, aber meine Hände klammerten sich so fest wie ein Schraubstock aneinander ... Meine Augen waren geschlossen, aber jene grauen, dahingleitenden, nebelhaften Schemenbilder drängten sich in meinen Gesichtskreis.

Und immer war da eine unerbittliche Feindseligkeit ... Ein Kreis feindseliger Lebewesen umringte mich, es waren riesige Urkreaturen, grausige Schreckensgestalten aus der Unterwelt in grotesken Formen. Um mich schlossen sich wahnsinnige, grobe und satanische Erscheinungen zusammen. Sie waren entsetzlich abstoßend ... Eine dieser schrecklichen Erscheinungen kam auf mich zu, musterte mich mit einem bösen, starren Blick und erhob drohend ihre Hände, so als ob sie mir Angst und Schrecken einflößen wollte ... In nur wenigen Minuten erlebte ich Dinge, die sich mir unauslöschlich in die Erinnerung eingruben. Diese unglaubliche Szenerie wird auf immer in meinem Gedächtnis haften, so scharf und deutlich wie eine Fotografie. Nie und nimmer im Leben würde ich wieder ein solches Experiment riskieren. Nie würde ich wieder einen nächtlichen Aufenthalt in der Großen Pyramide versuchen.«

Trotz dieser Hexenküche, die sich vor ihm entfaltete, blieb Brunton, wo er war. Er saß neben dem Sarkophag und rührte sich nicht von der Stelle. Und ziemlich mit einem Schlag nahm der Spuk - nein, noch kein Ende, aber doch immerhin eine bemerkenswerte Wende. »Ich weiß nicht, wieviel Zeit verging, bis ich eine neue Gegenwart in der Kammer spürte.«

Brunton bemerkte nun die Nähe eines reinen, sehr wohlwollenden Wesens, das ihn mit gütigen Augen ansah. Bald folgte ein zweites. Es näherten sich zwei weiß gekleidete Gestalten, die Menschen weit mehr ähnelten als die Schauergestalten, die ihn noch vor wenigen Momenten heimgesucht hatten. Und was von ihnen ausging, war eine beruhigende »klösterliche Ruhe«, so sagt Brunton. »War ich in eine vierte Dimension versetzt und in einer fernen Epoche wieder auferweckt worden?«, fragt Brunton in seinem Bericht, um sofort zu verneinen, da ihn die Gestalten doch auch sehen konnten. Und wenn es doch so war? Er war verwirrt.

Diese Wesen betrachteten den Fremdling, und nach einiger Zeit sprachen sie sogar zu ihm - »Der Weg des Traumes wird dich weit weg leiten vom Pfad der Vernunft. Manche sind ihn schon gegangen und zerstörten Geistes zurückgekehrt.« Er solle »den Weg für die Füße der Sterblichen« besser nicht verlassen, und deshalb sei es auch nicht gut gewesen, dass er an diesen Ort gekommen war. Brunton akzeptierte die Warnung, erwiderte aber, er werde sich von dem einmal eingeschlagenen Weg sicher durch nichts abbringen lassen. Das zuerst eingetretene Wesen antwortete darauf-. »So sei es denn. Du hast Deine Wahl getroffen. Folge ihr also, denn jetzt kannst du sie nicht mehr widerrufen. Lebe wohl!« Dann zog es sich zurück. Nun näherte sich das zweite Wesen und sprach bemerkenswerte Dinge zu ihm-. »Mein Sohn, die mächtigen Gebieter der geheimen Kräfte haben sich deiner angenommen. Heute nacht sollst Du zur >Halle des Wissens< geführt werden.« Brunton folgte dann den weiteren Anweisungen der spukhaften Gestalten. Er legte sich in den kühlen Granit-Sarkophag und spürte, wie eine eisige, unnatürliehe Kälte von unten aufstieg. Sie wanderte von den Füßen immer weiter hoch. bis sie bald seinen ganzen Körper erfasst hatte und Brunton ihn nicht mehr spürte. Es war so, als ob ihm ein besonderes Betäubungsmittel verabreicht worden wäre. Das war nicht allein die Kälte des Steines und der ägyptischen Nacht, die in das einsame Gemach drang.

Bald hatte er das Gefühl, ihn würde ein tropischer Wirbelwind erfassen, ein Strudel, der ihn durch eine schmale Öffnung hindurch nach oben zog: »Ich sprang in das Unbekannte hinein, und ich war - frei ... in dieser vierten Dimension, zu der ich durchgedrungen war!« War Brunton durch so etwas wie ein Sternentor gegangen? Sein Körper wohl nicht, aber offenbar sein Geist. Er sah sich aus der Höhe zeitweilig selbst, starr auf dem Stein liegend - eine außerkörperliche Erfahrung. » >Das ist der Zustand des Todes, nun weiß ich, dass ich eine Seele bin und dass ich außerhalb meines Leibes bestehen kann< «, schoss es Brunton durch den Kopf. » >Und ich werde das immer glauben, denn ich habe es erprobt.< ... Ich hatte die Frage des Fortlebens auf eine wie mir schien sehr befriedigende Art und Weise gelöst - durch tatsächliches Sterben und Weiterleben.« - Und der alte Hohepriester sprach zu ihm: »Nun hast Du die große Weisheit gelernt. Der Mensch, geboren ans dem Unsterblichen, kann niemals wirklich sterben. Fasse diese Wahrheit in Worte, die von den Menschen verstanden werden. Sieh her!« Nun sah Brunton deutlich und unverwechselbar die Gesichter von drei Verstorbenen, die er persönlich gekannt hatte. Sie sprachen ihn an und er antwortete.

Dieser sehr ungewöhnlichen Erfahrung folgten noch weitere. Schließlich spürte Brunton seinen Körper wieder und wie die Starre sich langsam löste. Seine Umgebung wurde ihm bewusster, er tastete nach der Lampe, schaltete hastig das Licht an und war so erregt, dass er lauthals zu schreien begann.

Als die Pyramide am nächsten Morgen wieder geöffnet wurde, fand man Brunton in einem Mitleid erweckenden Zustand vor. Staubig, übermüdet und verwirrt stolperte er der bewaffneten Polizeiwache entgegen. Es dauerte noch eine ganze Weile, bis er sich wieder einigermaßen erholt hatte.

Der Schriftsteller Paul Brunton verfasste später etliche Bücher mit mystischem Inhalt und schrieb unter anderem »Wissen vom Über-Selbst«. Über seine Erfahrungen in der Kammer des Wissens schreibt er leider nicht viel. Es scheint, als ob er nichts darüber sagen wollte oder durfte, aber an einer Stelle bemerkt er zu den Informationen, die er in der Pyramide erhalten hatte: »Das Geheimnis der Großen Pyramide ist das Geheimnis deines eigenen Ichs. Die geheimen Kammern und und alten Aufzeichnungen liegen alle in dir selbst beschlossen.« Das sagte ihm der Hohepriester. Konnte das des Rätsels Lösung sein oder wurde Brunton nur zum Sprachrohr einer Macht, die ihn benutzte, um ihn zu verwirren? [...]

Ich würde seinen Bericht nicht so ernst nehmen, wenn ich nicht seit Jahren schon eine Person kennen würde, die ganz bestimmt nicht zum Spintisieren neigt, die aber wie Brunton das vielleicht etwas fragwürdige Glück hatte, eine Nacht in der Großen Pyramide zu verbringen. Diese Person, eine junge Journalistin, ich will sie hier Carol nennen, ist in den langen Gesprächen, die wir miteinander geführt haben, immer mit beiden Beinen fest auf dem Boden geblieben. Sie ist im übrigen überhaupt nicht der Typ Mensch, der sich gerne zu Spekulationen hinreißen lässt, und trennt Fakten immer von Fiktionen. Aber sie versucht offen und vorbehaltlos auch Ungewöhnliches anzugehen, vor allem seit ihrem Erlebnis in der Pyramide.

Ich habe keinen Grund, ihren Bericht anzuzweifeln. Sofort fällt daran die Ähnlichkeit zu den Schilderungen von Brunton auf. Carol sagt, dass sie im Jahr 1994 zusammen mit einer kleinen Reisegruppe unterwegs war, die sich auch für die spezielleren Geheimnisse Ägyptens und der Großen Pyramide interessierte. Der Leiter dieser Tour hatte sehr gute Kontakte in Kairo und schaffte es, eine Erlaubnis zu erhalten, mit der Gruppe eine Nacht in der Königskammer zu verbringen. Genau wie Brunton wurde die relativ kleine Gruppe also abends in dem unheimlichen Gemäuer eingesperrt und harrte dann in dieser majestätischen Kammer der Dinge, die kommen sollten.

Mit dem Betreten der Pyramide sagte niemand mehr ein Wort. Das war eine Abmachung, die jeder bis zum Schluss einhielt. Carol saß in der Mitte der Kammer und blickte mit halb offenen Augen leicht nach unten, um sich in die Situation einzustimmen und zu meditieren. Nach einer Zeit spürte sie eine Veränderung. Von Anfang an schon hatte sie das Gefühl gehabt, das Millionen Tonnen schwere Bauwerk um sie herum sei geradezu schwerelos und transparent. In keinem Moment empfand sie die Steinmassen um sich herum als bedrückende Last. [...]

Nach einer Zeit spürte sie eine Veränderung. Denn plötzlich tauchten sehr ungewöhnliche Empfindungen und Bilder vor Carol auf -, zumindest setzten erste verblüffende Erlebnisse ein, die aber völlig real auf die junge Frau wirkten. Die Pyramide schien sich nach oben hin zu öffnen, und aus der Höhe erfasste Carol ein Lichtstrahl. Über dieses Phänomen, so hatte sie das Gefühl, gelangte sie in eine neue Umgebung. Sie befand sich plötzlich zusammen mit einer Ägypterin in der Wüste. Diese Ägypterin ähnelte ihr selbst in erstaunlicher Weise. Beide wanderten nun eine lange, aber unbestimmte Zeit durch die Einsamkeit. Wie Carol mir sagte, verlor sie mit dem Betreten der Pyramide ihr Zeitgefühl vollkommen. Nach Stunden oder Tagen endete die Wanderung dort, wo sie begonnen hatte, und Carol befand sich wieder an ihrem Platz - mitten in der Königskammer.

Bald darauf bemerkte die junge Frau eine bedrohliche Veränderung im Raum. Aus der dunklen Ecke hinter dem Granit-Sarkophag, genau an jener Stelle, an der eine der Bodenplatten einst von Eindringlingen zerstört worden war, sah sie drei düstere Gestalten hervortreten. Sie hatten keine Gesichter. Als sie näher kamen, erkannte Carol, dass jedes dieser Wesen in der Höhe der Brust ein großes Loch hatte. Es sah so aus, als ob sie direkt durchgreifen könne. Ein erschreckendes Bild! Bedeutete dieses Loch. dass den dunklen Wesen das Wesentliche fehlte - der Sitz guter Kräfte, des Geistes als irdischer Teil des so schwer definierbaren ägyptisehen ka oder der Seele ba? Carol spürtejedenfalls. dass diese Geschöpfe an sich zwar weder gut noch böse waren, doch offenbar einen vernichtenden Auftrag hatten. Sie sollten oder wollten ihr das Leben nehmen.

Noch bevor Carol die Pyramide zu nächtlicher Stunde betrat, wurde sie und der Rest der Gruppe vier Wochen lang in einige Konzentrations-Übungen eingeführt. mit denen sie sich mental auf einige möglicherweise recht ungewöhnliche Energien einstellen und lernen konnte, sich von ebenso ungewöhnlichen Vorgängen um sie herum abzuschotten. Carol begegnete wie gesagt allem offen, aber kritisch. Außerdem war sie sowie auch die anderen an den vorausgehenden beiden Tagen zur gewöhnlichen Zeit in die Große Pyramide gegangen. um sich schon ein wenig mit der Umgebung vertraut zu machen. [...]

Nun saß Carol inmitten der Pyramide und drei bedrohliche. dämonische, mit Spießen und anderen Waffen bewehrte Gestalten rückten immer näher an sie heran. Carol spürte, dass sie nicht entkommen konnte. In diesen Momenten änderte sich ihre körperliche Verfassung radikal; während die Journalistin zuvor keine Beschwerden hatte, stellte sich nun starkes Herzrasen ein, Übelkeit und das beängstigende Gefühl, jeden Augenblick die Besinnung zu verlieren. Carol war nicht mehr in der Lage, sich vom Fleck zu rühren. Sie wusste ohnehin, dass sie dieser Situation nicht mehr entfliehen konnte.

Nun war Carol auf Armeslänge umstellt. Eines der Wesen näherte sich ihr von hinten. Doch sie spürte, was sich da abspielte. Die Gestalt holte mit einem Beil aus, um ihr das Rückgrat zu zerschmettern. Schon eine Weile lang hatte Carol versucht, sich gegen die negative Energie der unheimlichen Geschöpfe »abzuschirmen«, indem sie sich auf das Gegenteil jener dunklen Macht konzentrierte. So sah sie sich mehr und mehr eingehüllt in eine Art gedanklichen Bannkreis aus Licht. Ihr Bewusstsein kämpfte gegen die nunmehr lebensbedrohlich wirkende Erscheinung an: das Wesen hinter ihr schlug zu, doch die Axt prallte an der visualisierten Lichtbarriere ab. Schließlich schwächte sich die Kraft der Bilder ab und die Gestalten zogen sich zurück.

Ob Carol tatsächlich etwas geschehen wäre, wenn sie keine gedanklichen Gegenmaßnahmen ergriffen hätte, das vermag niemand zu sagen. Vielleicht wäre sie zusammengebrochen, ohne dass die anderen den Grund bemerkt hätten.

Später erschienen dann, von der Wand hinter dem Sarkophag kommend, hell gekleidete Gestalten. Frauen und Männer, die auf Carol »wie Eingeweihte wirkten«. Sie strahlten Güte, Friedlichkeit und größte Weisheit aus. »Und sie war etwas sehr Leuchtendes, geradezu Aurahaftes«, erinnert sich Carol.

Zum Abschluss jener unvergesslichen Nacht legte sich einer nach dem anderen für einige Minuten in den kalten Sarkophag. Nur zwei der Anwesenden ließen davon ab. Niemandem von den anderen, die es wagten, war wirklich wohl dabei, denn diese Aktion schien doch ziemlich anmaßend zu sein - weshalb sich wie gesagt auch nicht alle dazu durchringen konnten. Aber es war eine einmalige Chance und Erfahrung. Als sich Carol in den Sarkophag legte, hatte sie das Gefühl, regelrecht aufgeladen zu werden. Sie spürte ein Kribbeln, als ob sie von einem durchdringenden Feld erfasst würde. Keinen Moment aber empfand sie das steinerne Behältnis als letzte Ruhestätte eines Toten. Sie war sich sicher, dass es genau wie die Königskammer als Ort der Einweihung diente.

Als die Gruppe sich wieder aus der Macht der Pyramide gelöst hatte, kehrte sie schweigend ins Hotel zurück. Erst am nächsten Tag sprachen alle über ihre Erlebnisse. Und bis auf einen hatte jeder ganz individuellle, unerklärliche Erfahrungen gemacht. Derjenige. der nichts erlebte, war allerdings voller Angst gewesen. Er hatte nur dagesessen und stundenlang mit aufgerissenen Augen in die fahl erleuchtete Kammer gestarrt. Vielleicht sollte er nichts sehen.

Neun von zehn der Anwesenden aber sahen Dinge, die sie nie vergessen werden. [...]

Die wichtigste Erfahrung, die Carol aus jener Nacht in der Pyramide mitnahm, ist wie sie sagt. die Erkenntnis, dass sich ein Mensch im Prinzip gegen alle negativen Kräfte und Anfechtungen wehren kann, Natürlich begann Carol, ihre Erlebnisse in der Pyramide nach einiger Zeit in Frage zu stellen. Denn letztendlich war es kaum irgend möglich, ein solches Erlebnis in das Alltagsgeschehen einzuordnen! Trotzdem lässt sie diese Erfahrung bis heute nicht mehr los. Für sie erscheint noch heute alles vollkommen real, so real wie etwas nur eben sein kann.

Ich bin sicher, wir sollten die Vorgänge in der Königskammer ernst nehmen. Ich will damit nicht sagen, dass die unheimlichen Erscheinungen materiell real sind. Irgendetwas aber löst in unserem Gehirn Reize aus. Signale. die entweder von uns selbst oder eher von einer anderen »Intelligenz« produziert werden, die auf uns einwirkt. Meiner Meinung nach - und ich versuche dabei, all das zu berücksichtigen. was ich im Laufe der Zeit über die Pyramide in Erfahrung bringen konnte - findet in der Königskammer ein Vorgang statt, der normalerweise extrem schwache Effekte verstärkt. darunter auch den eigentlich all gegenwärtigen Speicher der morphogenetischen Felder Sheldrakes. Dadurch erhalten Anwesende nach einiger Zeit und vor allem in Situationen der Stille direkten Zugang zum »Weltgedächtnis«. in dem alles, was je gedacht und gesagt wurde, alles, was je geschehen ist - vor allem am Ort des Verstärkers wieder lebendig wird. Dies ist ein geistiges Sternentor, mit dem derjenige, der es durchschreitet, unabhängig wird von Zeit und Raum, »frei« wird, wie Brunton sagte. [...] Wie sonst sollten sich die zahlreichen Berichte erklären lassen? Allesamt als Lügen und pure Erfindungen? Ich hielte das für eine sträflich leichtfertige »Erklärung«!

Die Begegnung mit einem »mentalen« Sternentor! War es das, was auch Napoleon Bonaparte erlebte, als er Ende des 18. Jahrhunderts auf seinem Eroberungs-Feldzug immerhin genügend Zeit fand, auch einmal in die Königskammer zu klettern? Der umtriebige Korse bat darum, man möge ihn einige Zeit alleine darin lassen. Als er wieder herauskam, war er auffallend blass und irritiert, so als ob er soeben etwas wirklich Bedeutendes und Bewegendes erlebt hätte. So ähnlich erschien es wohl auch einem Adjutanten, der sich mehr im Scherz die Frage erlaubte, ob dem Feldherrn denn vielleicht gerade irgendetwas Geheimnisvolles widerfahren sei. worauf Napoleon sehr schroff reagierte. Er wolle sich darüber nicht äußern, so meinte er, und fügte wieder etwas beherrschter hinzu, er wünsche, nie mehr danach gefragt zu werden. Viele Jahre später machte er einmal ein paar vage Andeutungen, er habe in der Pyramide einige Vorahnungen über seine Zukunft und sein Schicksal gehabt, und kurz vor seinem Ende hätte er sich wohl beinahe einem Vertrauten offenbart, doch selbst im Angesicht des Todes überlegte er es sich noch einmal anders. Er hob gerade an, um den Vorfall zu erklären, doch dann plötzlich schüttelte er beinahe resignierend den Kopf und sagte: »Nein, nein. Es hat ja doch keinen Zweck. Sie würden mir sowieso nicht glauben!« Dabei blieb es dann, und Napoleon nahm sein ägyptisches Geheimnis mit ins Grab. [...]

Das wäre eine merkwürdige, aber trotzdem denkbare Erklärung. Immerhin gab es genug seltsame Vorfälle in der Großen Pyramide. Wenn wir uns die Geschichte von Brunton noch einmal ansehen, fällt auf, dass er sich in den Sarkophag legte beziehungsweise legen sollte und daraufhin in geheimes Wissen eingeweiht wurde. War das der eigentliche Zweck des Granit-Sarges? Nicht umsonst hat sich für viele die Frage gestellt, wohin denn all die Mumien verschwunden waren. wenn die Pyramiden als Grabstätten dienten. Die andere Folgerung war: Sie dienten eben nicht als Gräber, also gab es auch keine Toten dort. Der Sarkophag war auch kein »Fleischfresser« - nichts anderes nämlich bedeutet dieses griechische Wort. Das hängt mit der Ansicht zusammen. dass das Gestein solcher Behältnisse die Zersetzung des Toten fördert.

Doch der »Sarkophag« in der Königskammer mochte vielmehr einem geheimen Ritus dienen und die Pyramide mit ihren Eigenschaften, geistige Kräfte zu verstärken, als machtvoller Einweihungs-Tempel.

Die Mystikerin Helena Petrovna Blavatsky, die im 19. Jahrhundert lebte, bezeichnete die Große Pyramide in ihrem Buch »Die entschleierte Isis« -wohlgemerkt: Isis! - als »Tempel der Initiation«, also eben genau als Einweihungs-Tempel, »in dem die Menschen zu den Göttem emporwuchsen und die Götter zu den Menschen herabstiegen.« Helena Blavatsky sah in dem Sarkophag eine Art Taufbecken der Einweihung. Der Novize wurde während einer geheimen Zeremonie in den Sarg gelegt und vom obersten Priester in einen tiefen Trance-Schlaf, den »Schlaf Siloains« versetzt, um dann drei Tage und drei Nächte mit den Göttern in einem »vertrauten Gespräch« zu stehen. Nach den über alles anstrengenden, das Bewusstsein erweiternden Erfahrungen in der Königskammer musste sich der Adept, nach drei Tagen als Eingeweihter auferstanden oder wiedergeboren, dann in die Kammer der Königin begeben, um dort zur Ruhe zu finden und sich sammeln zu können. Der schon erwähnte Peter Tompkins erklärt in seinem wegweisenden Buch Cheops: »Die meisten der alten Philosophen und die großen Lehrer der Religionen wie beispielsweise Moses und Paulus sollen ihre Weisheit von den ägyptischen Eingeweihten bezogen haben. Zu den Männern, auf die dies zutrifft, zählen Sophokles, Solon, Plato, Cicero, Heraklit, Pindar und Pythagoras. [...]

Wie Helena Blavatsky sagte, spiegeln sich in der »lsis-Pyramide« zwei große Geheimnisse. Nach außen verkörpert ihre geheime Geometrie die Natur und den Kosmos, ihr Inneres aber ist Ort der Einweihungsmysterien. Der dänische Ingenieur Tons Brunds bestätigt den ersten Teil dieser Aussage mit dem Hinweis, dass der Bauplan der Großen Pyramide in einer hoch entwickelten, aber geheimen Geometrie - einer hermetischen Geometrie - entworfenwurde. Brunds erinnert auch daran, dass der Philosoph und Vater der griechischen Mathematik Pythagoras erst einmal zweiundzwanzig Jahre lang Priester in einem ägyptischen Tempel war, bevor er in seine Heimat zurückkehrte und dann beeindruckende mathematische Zusammenhänge lehrte. [...] Unabhängig davon machte sich später auch der weise Plato nach Ägypten auf, um in die niedrigen Grade des hermetischen Wissens eingeweiht zu werden. So langsam wird uns dabei klar, dass die alten Griechen nicht schlecht bei den älteren Ägyptern »gespickt« haben.

Die heilige Geometrie der Großen Pyramide muss in einem engen Zusammenhang mit den ungewöhnlichen Kräften und Vorgängen in ihrem Inneren stehen. Das eine bedingt das andere. Im »Tempel der Einweihung« spielen sich auch heute noch höchst ungewöhnliche Dinge ab. Auf einer Ägyptenreise betrat der Franzose Antoine Bovis auch die Königskammer der Großen Pyramide. Dort entdeckte er einige tote Tiere. darunter Katzen., die sich verlaufen hatten und dort verhungert waren. Bovis fiel auf, dass diese Tiere, obwohl sie schon lange dort gelegen haben müssen, geruchlos waren. Sie befanden sich in einem dehydrierten Zustand der Murnifikation. Irgendetwas musste dafür gesorgt haben. dass die toten Körper erhalten blieben. Wie Bovis sagt, war es wohl ein »Intuitions-Blitz«, der ihn auf den Gedanken brachte, die spezielle Geometrie der Pyramide könne dafür gesorgt haben. Sie musste unbekannte Kräfte entfesseln oder verstärken, die konservierend wirkten. Bovis baute ein Holzmodell der Pvramide. mit exakt denselben geometrischen Proportionen, und richtete die Kanten der quadratischen Grundfläche so genau wie möglich nach den vier Himmelsrichtungen aus - so wie das auch bei der echten Pyramide der Fall ist. Nun kam der eklige Teil des Experiments. Der Franzose verschaffte sich eine tote Katze und ein Stück Kalbshirn, das normalerweise sehr schnell den Weg des Vergänglichen geht. Er legte die Überreste dann ins Innere seines maßstäblichen Modells, genau in die Position und Höhe der Königskammer. Seine beiden »Proben« trockneten zwar aus. aber sie verfaulten nicht und gaben auch keine Gerüche ab, wie sie eigentlich in sogar unerträglichem Maß zu erwarten gewesen wären. Wirklich seltsam.

Das war wieder ein handfestes ägyptisches Rätsel - oder doch nur Hokuspokus? Der Versuch von Bovis regte zahlreiche weitere an. Sicherlich haben Sie auch schon oft davon gehört, dass der tschechische Ingenieur Karel Drbal bei seinen Pyramiden-Versuchen abgenutzte Rasierklingen wieder auffrischen konnte. Eine davon benutzte er zweihundert Mal. Sein Pyramiden-Rasierklingenschärfer erhielt sogar ein Patent (Nummer 91304). Aber über das alles ist schon so viel geschrieben worden, dass ich diese Geschichte hier sicherlich nicht wiederkäuen muss. Ich wollte auch nur ergänzend daran erinnern, denn dies alles scheint zu bestätigen, dass sich im Inneren der Pyramide wirklich ungeahnte Kräfte entfalten, von denen wir fast schon erwarten können, dass sie unser Bewusstsein beeinflussen. Ich habe übrigens vor vielen Jahren selbst eher spaßeshalber mit einigen Modell-Pyramiden und Pflanzen experimentiert. Einige sehr mikrige Pflanzen, die massive Wachstumsprobleme hatten. habe ich längere Zeit mit rund vierzehn Tage altem Wasser gegossen. Dann verwendete ich ebenfalls rund vierzehn Tage altes Wasser, das allerdings in einer Pyramide untergebracht war - in Königskammer-Position. Ich staunte nicht schlecht, als sich die Pflanzen von da an gut zu entwickeln begannen. Eine Pflanze, die lange Zeit lediglich aus einem einzigen kläglichen Blatt bestanden hatte, das aus einem kleinen Blumentopf ragte, begann geradezu immens zu wachsen. Sie erreichte eine Höhe von mehr als einem Meter, dann knickte sie unter ihrem eigenen Gewicht ab. [...]

Wer nun nach physikalisch greifbaren Beweisen für unerklärliche Kräfte der Pyramide fragt, auch die gibt es. [...]

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