Die Bedeutung des radikalen jüdischen Messianismus

03.06.2015 23:40

Es gibt es von der Öffentlichkeit völlig unbeachtete Gruppierungen, die in einem nahenden Armageddon Grund zur Freude sehen. In ihrem Umfeld bewegen sich Menschen, die heute ihre ganze Existenz dafür aufs Spiel setzen würden, damit die Erde an den Rand der Vernichtung gerät. Die Rede ist von den sogenannten Armageddonfanatikern. Sie stellen die wahrscheinlich gefährlichste Fraktion im Fundamentalismus überhaupt dar. Gerade weil es nicht die strukturellen Vorteile sind, die diese Menschen bewegen. Nicht das Geld. Nicht der Besitz. Nicht einmal das individuelle Glück. Einzig die Religion ist es, die das Leben dieser selbsternannten Gotteskrieger bestimmt.

Und das ist die Besonderheit dieser Gruppen: die Erwartung eines kommenden Heilands, der erscheinen wird, um die Menschheit der Erlösung zuzuführen. Damit das jedoch passiert, muß die Welt zuvor, wie in den Schriften der Propheten vorhergesagt, in den Todeskampf geschickt werden. Wir finden diese radikalen Fundamentalisten praktisch in jeder Religion und alle diese Gruppen sind gefährlich. Doch am gefährlichsten scheint die israelitische, denn sie hat den höchsten Grad an Organisierung erreicht und greift am geplantesten in die Belange der Politik ein. Und das nicht sporadisch, sondern ständig. Zielgerichtet. Seit langem. Es ist die Sekte der Chassiden.

Als Handlungsanweisung dient ihr dabei die vor Jahrtausenden niedergelegte Zukunftsschau des Judaismus, welche als direkter Auftrag zur eigenen Tat interpretiert wird. Ihnen selbst, so die häretischen Mose-Jünger, sei es aufgegeben, das Weltgeschehen dem Zufall zu entreißen, um es zum Instrument der Erfüllung der biblischen Prophezeiungen zu machen. Der von den "Vollstreckern Gottes" zuweilen selbst eingestandene Zielpunkt ihres Treibens ist die Vereinigung der gesamten Menschheit in einem weltumgreifenden Gottesstaat, der zentral von Jerusalem gelenkt wird.

Dieser letzte Schritt soll im Zuge eines noch ausstehenden Atomkrieges (der "Großen Ernte") erfolgen, auf dessen Höhepunkt sich die fundamentalistischen Kreise des Judentums die Ankunft ihres Messias erwarten. Wohlgemerkt: Diese Gruppe ist nicht mit dem jüdischen Volk zu identifizieren. Und auch nicht mit der jüdischen Religion. Es ist eine kabbalistische Sekte, die das eigentliche Wesen des Judentums mit Füßen tritt. Das ist ein nicht zu vernachlässigender Unterschied. Dies zumal die Tätigkeit dieser okkulten Fanatiker dem Judentum als Volk fast immer nur geschadet hat. Und die das Schicksal des jüdischen Volkes stets der Bedeutung der Prophezeihungen unterordneten. So interpretierte ihr wichtigster Exponent, Zvi Jehudah Kook (der Sohn des israelischen Chefrabbis), gar den Holocaust als "himmlische Chirugie". Als ein "tiefes, verstecktes, göttliches Heilverfahren, das darauf abzielt, uns von der Unreinheit des Exils zu befreien." So wie beide Weltkriege sei "auch der Holocaust eine Erschütterung, die Vernichtung einer verfaulten Kultur (jede des Exils) im Dienst der nationalen Wiedergeburt und der Erfüllung der Vision des geoffenbarten Endes."

Das erschreckende: Kook stand seinerzeit mit diesen weltfremden Gedanken keineswegs für sich allein, weil es seiner Organisation schon damals gelungen war, Israel mit einem engmaschigen Netz zu überziehen und die Politik-Sekte in aller Stille geheimdienstartige Strukturen aufgebaut hatte.

Unbesehen von der Außenwelt entwickelte sich das Netzwerk dergestalt, daß es heute in den rechtsreligiösen Parteien Israels den Ton angibt. (Vgl. dazu die Ausführungen des israelischen Autoren Israel Shahak) Und da diese seit langem im Parlamentsleben des Landes das Zünglein an der Waage bilden, findet man messianistische Vertreter auch in den wechselnden Regierungen, im Militär und im Geheimdienst.

So erklärt sich, daß nicht wenige politische Entscheidungen bis hin zu Kriegen die Handschrift dieser Leute tragen. Bis hinein in die jüngste Zeit arbeiten chassidische Bibelforscher an den Prophetien der Bibel. Sie suchen die offenen, die halbverschlüsselten, die allegorischen Stellen. Sie analysieren sie, suchen sie in eine Zeitachse einzupassen. So weit, daß sie suchen, den Gang der politischen Geschicke nach der biblischen Zukunftsschau auszurichten. Dann geben sie ihre Erkenntnisse an Aktivisten weiter, die daraus vollendete Tatsachen zu schaffen haben. Bis zur Ebene der hohen Politik hinauf.

 

So schreibt der Religionswissenschaftler Dr. Jeffrey Satinover über die Zeit vor Ausbruch des Golfkrieges von 1991 wörtlich: "Tatsächlich haben mehr als nur einer der Bibel-Code-Erforscher enge Beziehungen zu den kryptologischen Diensten des renommierten israelischen Geheimdienstes Mossad und auch zu anderen Geheimorganisationen." Um dann kryptisch fortzufahren: "Mag sein, daß der Mossad in das alles verwickelt ist..."

Wir erfahren, daß Mossad-Leute, Militärs und kabbalistische Fundamentalisten vor Beginn des Golf-Krieges "die sich entwickelnde Situation am Golf" anhand der Bibel "ermittelten" um sie dann genau so inszenieren zu lassen, wie es die vermeintlichen Prophezeiungen vorgeben. Einzel-Ereignisse bis hin zu Raketenangriffen wurden "diskutiert". Geschehnisse, die dann auch wirklich "eingehalten" wurden, also eintraten.

Michael Drosnin gibt zu der Rolle des Militärs in dieser Sache - wenn auch ungewollt - eine Erklärung: Er schreibt, daß er wenige Tage nach dem Rabin-Attentat im November 1995 ein Telefongespräch mit General Jacob Amidror, dem stellvertretenden Leiter des militärischen Geheimdienstes Israels geführt habe, um dann wörtlich fortzufahren: "Wie sich herausstellte, war Amidror religiös. Er war nicht nur bereit, die Echtheit des Bibel-Codes anzuerkennen, er betrachtete ihn sogar als Wort Gottes."

Und das Wort Gottes ist einem fundamentalistischen Juden Befehl. Drosnin meinte sogar, aus der Bibel das Kommen eines Dritten Weltkrieges herauslesen zu können. Eines Konflikts, welcher mit Atomwaffen ausgetragen werde. In allernächster Zukunft. Wieder wandte er sich an die israelische Regierung. Ergebnis: Ministerpräsident Shimon Peres höchstpersönlich bat jenen Mann zu sich, der in jedem anderen Land der Welt als hoffnungsloser Irrer an der Vorzimmerdame gescheitert wäre.

Am 26. Januar 1996 stand Drosnin dem ersten Mann Israels in dessen Amtsräumen in Jerusalem gegenüber. Zwei Tage darauf, am 28. Januar 1996, traf Drosnin in den Amtsräumen des Ministerpräsidenten in Jerusalem mit General Danny Jatom, Peres' obersten Militärberater, der wenig später zum Leiter des berühmten israelischen Geheimdienstes Mossad ernannt werden sollte, zusammen. Jatom teilt mit, daß er bereits mit Peres über die zurückliegende Unterredung konferiert habe. Daraufhin wandten sich die Gesprächspartner den Einzelheiten einer Bedrohung durch einen atomaren Holocaust, wie er in der Bibel codiert war, zu. Jatom wollte wissen, wann und wo der Angriff stattfinden sollte. Drosnin teilte ihm mit, welche Hinweise sich in der Bibel gefunden hätten. Jatom stellte dieselbe Frage wie Peres: "Wenn dieses Ereignis codiert ist, was können wir dann tun?"

Dieses Bild prägt Israel seit der Ermordung Rabins bis auf den heutigen Tag, da fundamentalistische Ableger der "Fullfill-Prophecy-Clique" als Teil der rechtsreligiösen israelischen Administration den Friedensprozeß des ermordeten Premierministers Rabin zu beerdigen suchen. Ihre Sympathie gilt schon seit langem dem jetzigen Regierungschef Ariel Scharon, ein Mann, der sehr genau um die Symbolismen der letzten Tage weiß. Dem die letzten Szenarien vor Armageddon geläufig sind.

Eine Reihe von Anschlägen gegen das Gotteshaus belegt in jüngster Zeit, daß diese Kreise nicht mehr abzuwarten gewillt sind. Daß sie die Zeit himmlischer Fügung für gekommen halten. "Wir haben es hier mit einer messianischen Sekte zu tun, die danach trachtet, die Erlösung des jüdischen Volkes durch die Macht der Waffen zu verwirklichen," wetterte Rabbi Zvi Tau angesichts der darob aufziehenden Gefahren.

Das ist deutlich und ebenso unverstellt wie die Worte von Rabbi Ya'akov Filber, Kopf der Kook'schen - Merkaz ha-Rav Junior Yeshivah: "Über und neben unserem Schaffen ist eine göttliche Macht, die über allem schwebt und uns zum Vorantreiben zwingt, in Übereinstimmung mit dem göttlichen Plan, der vollen Erfüllung entgegen." Heute sehen diese Kräfte ihre Aufgabe darin, "eine historische Wende in Gang zu setzen, durch das Heraufbeschwören eines katastrophalen Krieges die Hand des Messias zu bewegen".

Aus Wolfgang Eggerts Buch: "Out oft the blue - Spuren des Terror in Amerika", Beim Prophet! Verlag.

Weitere Literatur zum Thema endzeitlicher Messianismus:
 - Eggert, Wolfgang: Im Namen Gottes. Israels Geheimvatikan als Vollstrecker biblischer Prophetie. Beim Propheten! Verlag, München 2001.
- Halsell, Grace: Prophecy and Politics. Militant Evangelists on the Road to Nuclear War. 1986.

Zurück